Wenn du jemals gesündigt haben solltest, überlege dir besser zweimal, die sogenannte Blutsäule am Westeingang von St. Gereon zu besuchen. Denn dem zertrümmerten Steinklotz sagt man nach, zwischen Gut und Böse unterscheiden zu können und Sünder zu entlarven.
Eine sorgsam ausgearbeitete Nische im Eingangsbereich von St. Gereon und darin: ein spätantikes Relikt. Nüchtern betrachtet handelt es sich hier um nichts anderes als eine oben abgebrochene Säule. Im Mittelalter jedoch ging von dieser eine furchteinflößende Faszination aus. Der Stumpf galt als einzigartig, man war sich einig, dass diese »schreckliche Säule weder in Rom noch in Jerusalem ihresgleichen hat«.
Den Weg hinter das Geheimnis weist die lateinische Tafel- Inschrift, die da übersetzt lautet: »Glaub es: Rein an diesem Stein soll einst das Blut geflossen sein. Sollt ich schuldig sein, so ist hier die Strafe mein.« Der Spruch rekurriert auf den Ruf der Säule als Stätte für Gottesurteile. Wer einer Todsünde angeklagt vor sie hintrat, dem sollte sie ewige Verdammnis oder vollständige Rehabilitation bringen. Wie sie zu diesem hehren Ansehen gekommen ist, darüber existieren zwei Versionen.

Dieser Artikel ist ein Auszug aus dem Buch "111 Kölner Orte, die man gesehenhaben muss" von Bernd Imgrund und Britta Schmitz (Fotos).
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Jesus gegeißelt - mitten in Köln?
Die erste besagt – sehr naheliegend –, dass an dieser Stelle der heilige Gereon mit seinen thebäischen Truppen niedergemetzelt worden sei. Dabei sei die Säule mit dem Blut der christlichen Märtyrer bespritzt worden. Die zweite Deutung ist noch beeindruckender, geht sie doch davon aus, dass an genau dieser Säule Jesus gegeißelt wurde. St. Helena, Gründerin der ersten Kirche an diesem Ort, habe den solchermaßen geheiligten Pilaster sodann nach Köln gebracht.
Bis in die Neuzeit hinein entwickelte sich die Blut- oder Schreckenssäule, wie sie auch genannt wurde, zu einem Wallfahrtsort. 1794 erregte sie sogar das Interesse der französischen Besatzung, die sie als Beute- und Ausstellungsstück nach Paris schaffen lassen wollte. Auf der Reise dorthin zerbrach sie allerdings und wurde als nunmehr wertlos am Straßenrand zurückgelassen. Der untere Teil immerhin diente zunächst als Grenzstein und fand 1925 seinen Weg zurück nach St. Gereon, um fortan wieder Wahrheit und Lüge, Schuld und Unschuld sauber zu trennen.
111 Kölner Orte, die man gesehn haben muss - das Beste aus Band 1 und 2
Dieser Artikel ist ein Auszug aus demBuch "111 Kölner Orte, die man gesehen haben muss - Band 2" von Bernd Imgrundund Britta Schmitz (Fotos). Dieses Buch jetzt bestellen.