Bands, deren Elektropop, Industrial und Gothic-Rock so gar nichts mit
"kölschen Tön" zu tun hat. Und Fans, die mit Schweißerbrille, Latexmini
und Lackstiefeln dem schlechten Wetter trotzen: Das ist das Amphi
Festival - zwei Tage lang Treffpunkt der scharzen Szene im Kölner Tanzbrunnen. Am Samstag sorgten neben den optischen Highlights der Besucher Bands wie "The Birthday Massacre", "Covenant" und "The Fields of Nephilim" für abwechslungsreiche Musik außerhalb der Charts. Sonntag gab's Mittelalter-Metal mit "Saltatio Mortis", "Unheilig" mixten Elektropop mit harten Gitarrensounds und die knallharte Electronic Body Music (EBM) der Belgier "Front 242" brachte den Tanzbrunnen zum Tanzen.
Von Helmut Löwe und Christiane Schäfer
Vielen Besuchern war das Ziel ihrer Reise bereits an der auffallend schwarz dominierten Kleidung bereits anzusehen: Der erste Tag des Amphi Festivals im Tanzbrunnen wurde Treffpunkt der schwarzen Szene und läutete damit die nächste Runde im Open Air Festival Sommer ein. Tausende Fans, die sich in musikalischer Hinsicht in der Ecke des Gothic-Rock, Industrial, Elektro oder Future Pop zu Hause fühlen, nutzten die Gelegenheit und kamen am Wochenende unter freiem Himmel zu einer der in Deutschland größten Konzertveranstaltung dieser Art zusammen.
Bildergalerie: Skurril bis exotisch - Die Besucher am Samstag
Bildergalerie: Skurril bis exotisch - Die Besucher am Sonntag
Neben den 34 Bands, die sich zum zweitägigen Amphi Festival angekündigt hatten, bot sich zunächst optisch ein höchst interessantes Schauspiel: Hohe Lack-Plateauschuhe, Latexkostüme und kunstvoll drapierte Frisuren - und das nicht nur in schwarz, sondern auch in sämtlichen Neonfarben - gestalteten die zum Teil skurrile Kulisse der breitgefächerten musikalischen Beschallung. Gruftie, Cyber, Punk, Romantic oder Mittelaltereinfluss, quer durch die Szene war alles vertreten.
Bildergalerie: Fern der Charts - Die Bands am Samstag
Bildergalerie: Fern der Charts - Die Bands am Sonntag


Fotos vom Amphi-Festival von Jürgen Walleneit
Fotos vom Amphi-Festival von André Hünseler / thinkingpixels
"Fields of the Nephilim" sorgten als Urgesteine des Gothic-Rock für eine musikalische Kehrtwendung weg von digitalen Tönen: Die Band um Carl McCoy, den Sänger mit der unnachahmlichen und tiefen Stimme, flutete den Tanzbrunnen mit Gitarrensounds, die für einen Großteil der heutigen Bands aus der Düsterrockecke wegweisend waren und sind. Mit "Last Exit for the Lost" beendete der Headliner aus dem dichten Bühnennebel heraus erfolgreich Tag Nummer eins auf der Hauptbühne.
Aufregung dagegen in der Rheinparkhalle, die erstmals als Auftrittsort fungiert: War dem Gemäuer der knallige Auftritt von Feindflug etwa nicht bekommen? Während der tanzbare Industrial mächtig aus den Boxen hämmerte, krachte ein etwa zwei Quadratmeter großes Putzstück von der Decke. Daraufhin wurde das Konzert abgebrochen, die Halle geschlossen. Glück jedoch für die Laibach-Fans: Das dort für 21:20 Uhr geplante Konzert der Slowenen wurde gegen 23:45 Uhr im Theater nachgeholt.
Mit Hocico ab ins Reich der Atzteken
Am Sonntag entführten "Omnia" mit Didgeridoo, Harfe und Trommel ins frühe Mittelalter: Die Niederländer transportierten geschickt keltische Musik in die Neuzeit. Und das Bühnenbild mit reichlich Laub unterstrich den "Pagan-Folk" des Quintetts bestens. Aus dem Theater heraus gelangte man direkt ins spätere Mittelalter: "Saltatio Mortis" verwoben treffsicher mittelalterliche Klänge von Drehleier und Sackpfeife mit modernem gitarrenlastigen Rock und Metal. Die Südpfälzer gaben live bereits einen Vorgeschmack auf das am 28. August erscheinende Album "Wer Wind Saet".


Kein leichtes Feld also, was "Der Graf" und "Unheilig" im Anschluss zu beackern hatten. Doch "Der Graf" wäre nicht "Der Graf", die hoch gelegte Messlatte zu nehmen. Zu Beginn des Auftrittes wirbelte "Der Graf" ununterbrochen auf der Bühne hin und her (lag es an der Kameraaufzeichnung?) wurde im Laufe des Sets jedoch wieder etwas ruhiger. Ob harter Rock oder sanfte, düstere Ballade - der Spagat zwischen den verschiedenen Musikstilen gelang "Unheilig" zur Zufriedenheit der Fans voll und ganz.
Den krönenden Abschluss auf der Hauptbühne legten die Belgier "Front 242" hin: die "Dinosaurier", wie sie angekündigt wurden, verstehen ihr Electronic-Body-Music-Handwerk, das sie seit fast dreißig Jahren betreiben, immer noch bestens. Laut "zwei-vier-zwei" skandierend ließ sich das Publikum durch die kraftvollen, wummernden und hämmernden Elektrosounds mehr und mehr mitreißen. Bis in die letzten Reihen wurde getanzt und getanzt - wie anders als so hätte das zweitägige Amphi Festival im Kölner Tanzbrunnen besser sein Ende finden können, als mit Musik-Ikonen, die ihre Fans hin- und wegreißen?
Der Termin für das Amphi Festival im kommenden Jahr steht bereits fest: Am 24. und 25. Juli 2010 treffen Bands und Fans beim 6. Amphi Festival erneut im Tanzbrunnen aufeinander.