Zeitenwende(n)
Käthe Kollwitz zwischen Politik und Kunst
„Die Überlebenden – Krieg dem Krieg!“ – Plakat nach einer Lithographie von Käthe Kollwitz, 1923 in sieben Sprachen (hier Dänisch) im Auftrag des Internationalen Gewerkschaftsbundes entstanden. © Käthe Kollwitz Museum Köln
Kaiserzeit, Weimarer Republik, Nazi-Diktatur, zwei Weltkriege – Käthe Kollwitz (1867-1945) hatte in ihrem Leben einige Umbrüche erlebt. Wie die politischen Ereignisse ihr Leben und damit ihre Kunst beeinflussten, zeigt jetzt die eindrucksvolle Ausstellung "Zeitenwende(n)" im Käthe-Kollwitz-Museum – ein verspätetes Geschenk zu ihrem 150. Geburtstag.
Dafür wurde die gewohnte Dauerausstellung zum Teil gründlich umgehängt, Neues und selten Gezeigtes wurde aus dem Archiv geholt, fünf Neuerwerbungen – darunter ein Kohle-Selbstporträt aus dem jahr 1934 – sind unter den 200 Zeichnungen und Grafiken zu bestaunen, in zehn Vitrinen liegen historische Dokumente, Briefe, Zeitungen und Postkarten mit Motiven von Kollwitz. Porträt-Fotos zeigen die Künstlerin als kleines Mädchen bis kurz vor ihrem Tod.
Verheiratet mit dem „Armenarzt“ Konrad Kollwitz, der seine Praxis im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg hatte, wurde sie schon früh mit Elend und Armut der arbeitenden Berliner konfrontiert. So stand sie schon von Beginn an auf der Seite der Unterdrückten und Benachteiligten, deren Leben sie in Zeichnungen festhielt.
Ein zentrales Thema hier „das Martyrium der Frau“, festgemacht an ungewollter Schwangerschaft und dem Verbot der Abtreibung. Immer wieder setzte sie es in im Motiv des Gretchens aus Goethes „Faust“ künstlerisch um. Am beeindruckendsten hier vielleicht eine düstere Tuschezeichnung, bei der statt Christus eine Muttergottes vom Kreuz steigt, um die auf dem Boden knienende schwangere Frau zu trösten. Als Mitglied einer freidenkenden evangelischen Gemeinde, in der Frauen gleichberechtigt waren, hatte Käthe zu diesem Thema sicher einen besonderen Zugang.
Zur überzeugten Pazifistin wurde Käthe Kollwitz allerdings erst nach dem Tod ihres Sohnes Peter. Er hatte sich als Freiwilliger gemeldet und fiel schon – erst eine Woche an der Front – am 23. Oktober in Flandern. Ihm und seinen Freunden hat sie in einem Anti-Kriegszyklus mit dem Titel „Die Freiwilligen“ ein Denkmal gesetzt.
Beim Matrosenaufstand 1918 in Berlin mischte sie sich unter die Demonstranten und hielt dies anschließend in einer Zeichnung fest. Im Tagebuch schrieb sie: „Ich bin doch lieber nach Hause gefahren. Es wurde geschossen.“ Wenige Monate später wurden Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht von rechten Freikorps-Offizieren ermordet. Kollwitz’ porträtierte nicht nur den toten KPD-Chef, sie hielt auch fest, wie die Parteimitglieder von ihm Abschied nahmen – das Bild wurde zur Ikone, die in keinem kommunistischen Haushalt fehlen durfte.
In den Jahren der Weltwirtschaftskrise und Inflation setzte sie sich mit Plakaten und Postkarten für hungernde Kinder in ganz Europa ein, forderte die Freilassung von deutschen Kriegs- und Zivilgefangenen, kämpfte gegen Wucherhonorare von Kinderärzten und forderte zum Kauf von „Ernährungsgeld“ – Wertmarken zum Kauf von Lebensmitteln. Wer genau hinsieht, wird in den dargestellten Frauengestalten immer wieder die Züge von Käthe Kollwitz erkennen – so machte sie die Sache zu ihrer.
Die Nationalsozialisten machten sie – nicht zuletzt durch den Rauswurf aus der Akademie der Künste – mundtot. An ihren Idealen hielt sie trotz Ausstellungsverbot fest, wovon die Kunst und schriftliche Dokumente zeugen. Und ihre Aufrufe für Frieden und gegen Armut haben bis heute nichts an Eindringlichkeit verloren. (js)
(zuletzt aktualisiert: 21. Juni 2018 - 10:18 Uhr)